11 „Gini´s“ gegen ein Genie


„Misserfolg ist lediglich eine Gelegenheit, mit neuen Ansichten noch einmal anzufangen.“ Henry Ford


Ein besseres Zitat könnte diesen Artikel einfach nicht einleiten. Seit 15 Jahren spielt eine überschaubare Gruppe voller überragender Könner - in den Tiefen des ostfriesischen Flachlandes - ein Tipp-Kick Turnier aus. 

 

Für alle die mit Tipp-Kick nichts anfangen können, es handelt sich hierbei wohl um die koordinativste, schnellste, brutalste und mit höchsten Anforderungen an Kondition und Kraft ausgestattete Sportart der Welt. Brutal deshalb, weil mit dem kleinen Ball durchaus mal aufs Auge des Gegners gezielt wird, wenn alles andere nichts hilft. Um die Schmerzen auszuhalten aber auch um die Hände ruhig zu halten, greift der ein oder andere gerne mal zu legalen Dopingmitteln. In diesem Jahr vorrangig Gin Tonic und HaKaTe.

 

Wie bereits erwähnt, spielen wir seit 15 Jahren in der guten Stube der gastfreundlichen Familie Ennulat in HInte und seit 15 Jahren war ich, mit wenigen Lichtblicken, der totale Punktelieferant. Dabei bin ich durchaus mit Talent ausgestattet. So wurde der Gastgeber mal in einem gemeinsamen Skiurlaub zweistellig abgeledert, obwohl ich mir als Handicap Ski Helm und Skibrille aufgesetzt hatte. Möglicherweise war auch hier Alkohol im Spiel. Je näher das Turnier aber jedes Jahr rückte, desto schlechter wurden meine Leistungen. Ich vermute einfach eine falsche Belastungssteuerung und in der Folge ein Übertraining.

 

Dieses Jahr sollte es anders kommen. Mein Bruder musste krankheitsbedingt absagen (ich vermute eher er wusste, was dieses Jahr kommen sollte und entschied sich für den sicheren Weg des Wegbleibens). Diese Absage und der Schienenersatzverkehr der Deutschen Bundesbahn sollte als Folge haben, dass ich mich für das selbständige Führen eines Kraftfahrzeuges entschied. Damit war das Thema Alkohol für mich vom Tisch. Hinzu kommt, dass ich durch ein sehr umfangreiches Ausdauertraining im Laufe der Triathlon Saison weitere 3 Kilo abgenommen hatte. Ich war also top austrainiert und mental unglaublich stark. Dazu noch der Vorteil des unterschätzt Werdens zu Beginn des Turniers. Eine Todeskombination.

 

Im ersten Spiel gleich die erste Duftmarke. Gegen Thorben, einem der Favoriten auf den Turniersieg, konnte das Spiel lange offengehalten werden. Ein starkes Torwartspiel und eine gute Chancenauswertung lies mich bis eine Minute vor Schluss hoffen. Dann wurde ich jedoch unkonzentriert und Thorben machte aus einem 3:3 ein 5:3.

 

Als nächster war Robbie an der Reihe und ich testete meine neue Taktik: Geschwindigkeit! Ich wartete nicht mehr, bis sich alle in Position gebracht haben, sondern spielte schnell. Das brachte mir, dank meiner grandiosen Kondition vor allem zum Ende des Spiels den entscheiden Vorteil. Endstand 7:4 für mich. Ein erstes Ausrufezeichen!

 

Gegen Hanno dann der gleiche Spielverlauf wie gegen Thorben. Niederlage mit 3:5, ehe ich mich gegen Eckhard aber vor allem auch noch gegen Enno durchsetzen konnte. Damit war ich in der Zwischenrunde. Alle schüttelten ungläubig den Kopf. Doch es sollte noch wilder kommen.


Gegner in der Zwischenrunde war niemand anderes als der erste Sieger unseres Turniers vor 15 Jahren. Alwin Mudder! Ein Tipp-Kick Monster! Mein Vorteil: Er hatte schon ordentlich Charly getankt. In einem umkämpften Spiel mit einer strittigen Schiedsrichterentscheidung des großartigen und natürlich unparteiischen Eike Ubben endete das Spiel tatsächlich 5:4 für mich. Halbfinale!

 

Nun war Polen offen! Alle rieben sich die Augen und selbst aus den anderen Wohnzimmern kamen die Zuschauer zu meinen Spielen ins „Stadion“ zurück. Kurzfristig wollte ich einen Merchandising Stand aufbauen, hatte aber zu wenig Material dabei. Ärgerlich!

 

Im Halbfinale war erneut Thorben mein Gegner. Während er im ersten Duell das Spiel noch verzögerte und mich nervös machte, in dem er angeblich seinen Spieler nicht finden konnte und den falschen Torwart am Start hatte, blieb ich dieses Mal ganz ruhig und konnte seine Unsicherheit förmlich riechen. Schnell kippte er noch einen Ouzo, was ich aber kaum noch war nahm. Ich war schon zu sehr im Tunnel meiner mentalen Stärke gefangen, aus dem mich dann nur kurz ein Anruf meiner Gattin und meiner Kinder herausriss, die mir eine Gute Nacht und viel Glück wünschen wollten. Dank dieser Unterstützung aus der Ferne passierte dann etwas, womit niemand rechnen konnte. Die „Tormaschine“ Kück verzweifelte an meiner grandiosen Torwartleistung. Egal von wo die Dinger auf meine Bude flogen, mein kleiner, blauer Goali war schon da. Und als Höhepunkt log ich ihm zwei unhaltbare Dinger in die Maschen, von denen er wohl das gesamte nächste Jahr träumen wird. Endstand 2:0. Finale!

 

Wer hier mein Gegner werden würde war mir egal! Ich versuchte mir letzte mentale Unterstützung von meinem Bruder per iMessage zu holen aber der dachte ich verarsche ihn nur. Also war ich wieder auf mich alleine gestellt. 


Gegner im Finale sollte kein anderer sein, als der fünfmalige Seriensieger Florian Bönsch! Dem FC Bayern des Tipp-Kicks! Der junge Mann, der laut Football-Leaks Überlegungen angestellt haben soll aus der Turniertruppe auszusteigen um eine eigene Superleague zu gründen.

 

Florian, selber Sportler machte noch einen extrem nüchternen Eindruck, ist als guter Fußballer selber konditionsstark und aufgrund seines Alters (knappe 25 Jahre jünger als ich) auch sehr schnell. Es war also das Duell der Giganten, in dem ich aber gleich den ersten Nadelstich setzen konnte. Ein schnelles 1:0.

 

Im Laufe des Spiels konnte ich mit meinem mitreißenden Spiel, meinem Einsatz und meinem Mut (vielleicht auch mit meiner optischen Ähnlichkeit zu Christiano Ronaldo) bis auf Vater Bönsch das gesamte Publikum auf meine Seite ziehen. David hatte Goliath am Rande einer Niederlage.  


Nach einem schnellen 1:1 kam es zur ersten strittigen Situation. Florian hatte einen Ball von sich drin gesehen. Der Schiedsrichter, die Zuschauer (alle außer Vadder Bönsch) und ich jedoch nicht. Der Videobeweis musste her, funktionierte aber nicht. Also kein Tor! Hatte der Schiedsrichter ja gesagt! Als Antwort auf die Diskussionen gab es dann von mir einen blitzschnellen Konter. 2:1! 


Genau 30 Sekunden vor Schluss wiederholte sich die Szene erneut. Wieder wurde der unparteiische Kritisiert, doch bevor dieser die gelbe Karte ziehen konnte, konterte ich schon wieder. Zack 3:1! Der Drops war gelutscht, die Messe gelesen, das Publikum außer sich! Tränen der Freude und Ungläubigkeit beim Gastgeber und seiner Gattin sollen gesehen worden sein. Alle kippten schnell noch einen HaKaTe oder Ouzo auf den Schock.

 

Um Punkt 19:38 Uhr streckte ich den Pokal unter tosendem Beifall in die Höhe und nach dem Wunder von Bern und der Wahl von Barack Obama, hatte die Welt ihr nächstes, ganz großes Überraschungsding! Dem Gastgeber Pit fehlten bei der Siegerehrung schlicht die Worte. Also ihm fehlten vor allem die schwierigen Worte. Diese bekamen alle die Endung „llallallll“. Ein klarer Fall von Gin Tonic.

 

Nach einer unruhigen Nacht, musste ich heute Morgen dann gleich die Kehrseite des Ruhmes kennenlernen. Ich kann nun natürlich nicht mehr unerkannt durchs Dorf wandeln oder zum Bäcker gehen. Autogramme hier, Selfies dort. Ich habe es ja nicht anders gewollt.

 

Jetzt muss ich erst einmal an der Vitrine für den Pokal weiterarbeiten, denn wenn den keiner sehen könnte, wäre ja alles ziemlich sinn frei gewesen.

 

Euer Sven